Aktion der Lebenshilfe Österreich zum Tag der Inklusion– mit Fotos bei Bundeskanzler Kurz und Arbeitsminister Kocher

SelbstvertreterInnen der Lebenshilfe und des Österreichischen Behindertenrats haben Bundeskanzler Sebastian Kurz und Arbeitsminister Martin Kocher ihre Forderungen nach einem inklusiven Arbeitsmarkt und fairer Entlohnung sowie rund 8.000 gesammelte Unterschriften von Menschen, die das Anliegen teilen und die vor zwei Jahren gestartete Petition „Gehalt statt Taschengeld“ unterstützen, überreicht.

Tag der Inklusion: Gehalt statt Taschengeld – Die Lebenshilfe fordert einen gemeinsamen Arbeitsmarkt für alle

Graz, 5. Mai 2021. Anlässlich des Tages der Inklusion übergeben SelbstvertreterInnen der Lebenshilfe und des Österreichischen Behindertenrats Bundeskanzler Sebastian Kurz und Arbeitsminister Martin Kocher ihre Forderungen nach einem inklusiven Arbeitsmarkt und fairer Entlohnung. Mit im Gepäck haben sie rund 8.000 gesammelte Unterschriften von Menschen, die das Anliegen teilen und die vor zwei Jahren gestartete Petition „Gehalt statt Taschengeld“ unterstützen.  

Derzeit arbeiten österreichweit über 23.000 Menschen mit Behinderungen in Werkstätten. Ihre Arbeitsleistung zählt nicht als Erwerbsarbeit. Am Ende des Monats gibt es dafür kein Gehalt, sondern nur ein Taschengeld. Betroffene haben auch keinen Anspruch auf Sozial- und Pensionsversicherung oder einen Kollektivvertrag. Das soll sich mit der Umstellung auf einen inklusiven Arbeitsmarkt ändern. „Das beinhaltet das Recht darauf, zwischen Arbeit am regulären Arbeitsmarkt, integrativen Betrieben und Werkstätten wechseln zu können, je nach Fähigkeiten,“ so Hanna Kamrat, Vizepräsident der Lebenshilfe Österreich.

Unser Lösungs-Vorschlag

Mit dem „2-Säulen-Modell“ zeigt die Lebenshilfe eine Lösung auf, die Menschen mit Behinderung neue Wege zu einer Einkommens- und Bedarfssicherung bietet. Ziel ist die berufliche und gesellschaftliche Teilhabe für alle. Das soll auch für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf gelten. Zentral dabei ist, dass das Modell den Menschen in seinen Fähigkeiten und Ressourcen sieht und sich vom defizitorientierten Menschenbild verabschiedet.

Im neuen Erklärvideo der Lebenshilfe wird das „2-Säulen-Modell“ veranschaulicht. Es skizziert, wie Menschen mit Behinderungen zukünftig Geld für ihre Arbeit (Einkommenssicherung) und ihre passgenaue Unterstützung (Bedarfssicherung) bekommen sollen, um selbstbestimmt leben zu können.

„Im Sinne einer inklusiven Gesellschaft ist es notwendig, dass die Politik die dafür passenden Rahmenbedingungen schafft“, betont Daniel Gamweger, Selbstvertreter und Präsidiumsmitglied der Lebenshilfe Steiermark.

Die 7 Forderungen der Behindertenvertreter*innen im Detail

Gemeinsam mit dem Österreichischen Behindertenrat und Selbstvertreter*innen aus seinen Mitgliedsorganisationen übergeben wir Bundeskanzler Kurz ein Umsetzungspapier zur Schaffung eines inklusiven Arbeitsmarktes mit folgenden Kernforderungen:

  1. Beseitigung der Zugangshürde zu Leistungen des Bundes (Ausgleichstaxfonds nach dem Behinderteneinstellungsgesetz, Vermittlungs- und Qualifizierungsmaßnahmen des Arbeitsmarktservice/AMS, NEBA-Leistungen des Sozialministeriumsservice/SMS) für Personen, die gegenwärtig als „arbeitsunfähig“ gelten.
  2. Schaffung eines bedarfsgerechten Zugangs zu berufsunterstützenden Maßnahmen, Beratungs- und Vermittlungsleistungen und Ermöglichung von Fort- und Weiterbildung.
  3. Erlassung eines Grundsatzgesetzes des Bundes, um für Personen, die gegenwärtig als arbeitsunfähig gelten, in den behindertenrechtlichen Materiengesetzen der Länder das Recht auf eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung unter Anwendung des Arbeitsrechts auf Grundlage einer kollektivvertraglichen Entlohnung zu verankern.
  4. Etablierung eines personenbezogenen Lohnkostenzuschusses, der sich nach der prozentuellen Bewertung des Unterstützungsbedarfs der Person bemisst. Die finanziellen Ressourcen sollen aus einem Inklusionsfonds stammen.
  5. Schaffung von individualisierten Arbeitszeitmodellen bei vollem Lohnausgleich zugunsten von Personen, denen behinderungsbedingt eine Arbeit in Vollzeit nicht möglich ist.
  6. Errichtung eines inklusiven, durchlässigen Arbeitsmarktes, in dem flexible Übergänge zwischen Nichtbeschäftigung, Beschäftigung in Beschäftigungsstrukturen/ Werkstätten, in sozialwirtschaftlichen Betrieben und am ersten Arbeitsmarkt möglich sind. Ein Wechsel der Beschäftigungsform darf dabei nicht zu einem Verlust der Ansprüche führen.
  7. Etablierung eines standardisierten Assessment des Unterstützungsbedarfs auf Basis der ICF (International Classification of  Functioning, Disability and Health/WHO), dessen Ergebnisse für alle Bereiche des Sozialrechts im Bereich des Bundes und der Bundesländer Geltung beanspruchen. Dabei muss ein Rechtsanspruch auf Teilnahme am Assessment bestehen, die Bewertung ressourcen- und fähigkeitsorientiert sowie partizipativ ausgestaltet sein und die betroffene Person das Recht haben, eine Vertrauensperson beizuziehen. Zugleich muss ein Rechtsanspruch auf die Inanspruchnahme von Unterstützungsleistungen (Assistenz, Hilfsmittel, Pflege), auf Grundlage des vorangegangenen Assessments eingeräumt werden.

Setzen wir gemeinsam die nächsten Schritte!

Info:

Die Zusammenfassung des „2-Säulen-Modells“ finden Sie hier

Die Langversion des “2-Säulen-Modells” finden Sie hier

Bundeskanzler Sebastian Kurz trifft gemeinsam mit BM Kocher eine Delegation der Lebenshilfe. Übergabe eines Inklusionsbeetes. Wien. 05.05.2021, Foto: Dragan Tatic
Bundeskanzler Sebastian Kurz trifft gemeinsam mit BM Kocher eine Delegation der Lebenshilfe. Übergabe eines Inklusionsbeetes. Wien. 05.05.2021, Foto: Dragan Tatic
Bundeskanzler Sebastian Kurz trifft gemeinsam mit BM Kocher eine Delegation der Lebenshilfe. Übergabe eines Inklusionsbeetes. Wien. 05.05.2021, Foto: Dragan Tatic
Bundeskanzler Sebastian Kurz trifft gemeinsam mit BM Kocher eine Delegation der Lebenshilfe. Übergabe eines Inklusionsbeetes. Wien. 05.05.2021, Foto: Dragan Tatic

Fotos Copyright: Dragan Tatic/BKA